Obwohl viele Paare Gleichberechtigung leben wollen, sieht der Alltag oft anders aus: Frauen leisten weiterhin deutlich mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Eine Sendung von Deutschlandfunk, Information und Musik beleuchtet die Kluft zwischen Anspruch und Realität – und zeigt auf, was sich strukturell ändern muss.
30 vs. 21 Stunden: Die ungleiche Realität unbezahlter Arbeit
Auch wenn der „Tag der Arbeit“ für viele ein freier Tag ist – Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege machen keine Pause. Und sie werden weiterhin hauptsächlich von Frauen übernommen. Laut der in der Sendung zitierten Studien der Bertelsmann Stiftung leisten Frauen im Durchschnitt 30 Stunden pro Woche unbezahlte Sorgearbeit, Männer nur 21 Stunden – das entspricht einem Arbeitstag mehr pro Woche für Frauen.
Bemerkenswert: Viele Männer halten die Aufgabenteilung zu Hause für „gerecht“. Mehr als die Hälfte der Frauen sieht das anders. Und die Zahlen geben ihnen recht. Sogar in Partnerschaften, die sich als gleichberechtigt verstehen, berichten Frauen im Schnitt von 4 Stunden mehr Hausarbeit und 10 Stunden mehr Kinderbetreuung pro Woche.
Tradierte Rollenbilder sterben langsam
Warum bleibt die Verteilung so ungleich, obwohl viele Paare Gleichstellung anstreben? Die Antwort: Veraltete Rollenbilder wirken weiter. Frauen fühlen sich oft verantwortlich für das emotionale und organisatorische Familienmanagement – sei es, den Kindergeburtstag zu planen, den Arzttermin zu vereinbaren oder „mal schnell“ das Badezimmer zu putzen, wenn Besuch kommt.
Männer übernehmen seltener – und wenn, dann punktuelle Aufgaben wie Reparaturen oder Gartenarbeit, die weniger regelmäßig und oft mit mehr Anerkennung verbunden sind.
Diese Muster sind tief verankert – und werden durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen weiter zementiert, besonders beim Übergang zur Elternschaft.
Wenn das erste Kind kommt – zurück in die 50er?
Ein zentrales Thema der Deutschlandfunk-Sendung war der sogenannte Retraditionalisierungseffekt nach der Geburt des ersten Kindes: Obwohl Paare anfangs gleichberechtigt denken, übernehmen Frauen später meist die Hauptverantwortung.
Im Schnitt nehmen sie 12 Monate Elternzeit, Männer nur die gesetzlich vorgesehenen zwei Partnermonate. Gründe dafür sind u. a.:
- Die niedrige Lohnersatzrate beim Elterngeld
- Wirtschaftliche Erwägungen: Häufig ist der Mann der besserverdienende Partner
- Eine oft unzureichende Kinderbetreuungsinfrastruktur
- Karrierenachteile bei längerer Abwesenheit aus dem Job
Langfristige Folgen: Ökonomische Abhängigkeit und verschenktes Potenzial
Diese ungleiche Arbeitsteilung bleibt nicht folgenlos. Frauen geraten in die Teilzeitfalle, steigen später seltener in Vollzeit ein und haben es schwer, Karrierechancen zu realisieren. Wer familiär eingebunden ist, gilt oft als nicht „vollzeitverfügbar“ – mit entsprechenden Konsequenzen für Einkommen, Aufstieg und Rente.
Die Folge: ökonomische Abhängigkeit vom Partner, geringere Rentenansprüche – und ein Verlust an gesellschaftlichem Potenzial, denn viele hochqualifizierte Frauen können ihre Fähigkeiten nicht voll einbringen.
Politischer und gesellschaftlicher Handlungsbedarf
In der Sendung wird deutlich: Der politische Wille zur Veränderung ist da – etwa mit der angekündigten Reform des Elterngelds oder Maßnahmen zur Förderung der Väterbeteiligung. Aber es braucht mehr als Symbolpolitik. Denn steuerfreie Zuschläge für Überstunden etwa fördern alte Rollenmuster und wirken Väterbeteiligung entgegen.
Was laut Sendung konkret nötig ist:
- Höhere Lohnersatzraten beim Elterngeld
- Mehr Partnermonate für Väter
- Bessere Betreuungsangebote (Kita-Ausbau, Ganztagsschulen)
- Gesellschaftliche Aufwertung von Sorgearbeit
- Strukturelle Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt (Abbau des Gender Pay Gaps, faire Beförderungssysteme)
Fazit: Geschlechtergerechtigkeit ist keine Privatsache
Die ungleiche Verteilung unbezahlter Arbeit ist kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles Ungleichgewicht – mit weitreichenden Folgen für Frauen, Familien und die gesamte Gesellschaft.
Die Sendung „Deutschlandfunk, Information und Musik“ macht klar: Es braucht konkrete politische Maßnahmen, neue ökonomische Anreize und einen gesellschaftlichen Mentalitätswandel. Nur so wird aus dem Anspruch auf Gleichstellung auch echte gelebte Realität.
Hier geht es zur Sendung: https://www.deutschlandfunk.de/arbeit-und-geschlechtergerechtigkeit-quo-vadis-m-hermann-bertelsmann-stiftung-100.html